Für einen besonderen Auftrag mit Werkstoffprüflabor standen diesmal nicht Schweißnähte und metallische Bauteile im Vordergrund. Mittelpunkt der Untersuchungen war ein Kräuterbuch aus dem Thüringer Landesmuseum Heidecksburg von 1661, das der Sammlung der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt angehörte.
In dem Buch finden sich auf jeder Seite getrocknete Pflanzen und handschriftliche Notizen und Beschreibungen. "Die Blumen und Kräuterstammen aus der Rudolstädter Region und sind fast vierhundert Jahre alt", beschreibt Sabrina Lüderitz, Direktorin des Landesmuseums das Fundstück, "einige Arten kommen in unserer Region vielleicht gar nicht mehr vor oder haben heute andere Bezeichnungen." Das Kräuterbuch kann dadurch zum besseren Verständnis der Fauna im Saaletal des 17. Jahrhunderts als auch zur Nutzung der einzelnen Pflanzen beitragen. "Wir haben hier ein Zeugnis der wissenschaftlichen Arbeitsweise dieser Epoche", so Sabrina Lüderitz.
Besonderes Interesse weckt der Einband des Kräuterbuchs: Dass Bücher dieser Zeit zusätzlich zum Einband mit einem Schutzumschlag versehen wurden, ist unüblich. Gehörte der Einband vielleicht zu einem älteren Buch? Aufschluss über die Herkunft des Einbands kann nur ein Blick unter den Schutzumschlag geben. Damit der historische Schutzumschlag aus Pergament für die Forschung nicht zerstört werden muss, bat das Thüringer Landesmuseum das Werkstoffprüflabor des ifw Jena um Unterstützung. In den Laboren des Forschungsinstituts werden normalerweise Schweißnähte und Stahlbauteile auf Fehlstellen untersucht. Moderne digitale Durchstrahlungsprüfung mit Röntgenstrahlung ermöglicht einen Blick ins Innere von Bauteilen, ohne dass diese aufgeschnitten oder beschädigt werden müssen. Für das Kräuterbuch der Heidecksburg ein ideales Verfahren. Die Röntgenstrahlung beschädigt weder die Buchseiten, noch die Pflanzen oder den Einband. An den digitalen Anlagen des ifw Jena können die Röntgenaufnahmen direkt angesehen, Blickwinkel korrigiert und Ergebnisse ausgewertet werden.
Der Verantwortliche im Werkstoffprüflabor des Instituts ist Maik Anders. Auch für ihn ist dieser Auftrag eine Besonderheit. "In der Werkstoffprüfung gibt es unterschiedliche Prüfmethoden für verschiedene Anforderungen. Die Durchstrahlungsprüfung kommt immer dann zum Tragen, wenn die Prüfstücke keinesfalls beschädigt werden dürfen", beschreibt er seine Arbeit. "Ähnlich wie in der Arztpraxis nutzen wir die Röntgenstrahlung, um Innenliegendes sichtbar zu machen, ohne Schaden anzurichten."
Die Geheimnisse des Kräuterbuches konnten so ein wenig weiter gelüftet werden. In den Röntgenanlagen wurden die verwendeten Nägel für die Schließe des Buchs sichtbar. Auch Schäden im Papier und die Holz- und Papierstruktur von Einband und Buchseiten werden in den Röntgenstrahlen deutlich erkennbar. "Die Struktur des Papiers und seiner Fasern ist wie ein Fingerabdruck", erklärt Sabrina Lüderitz, "daran können wir erkennen, in welcher Manufaktur das Papier hergestellt wurde und welche spezielle Schöpfform genutzt wurde."
In der Zusammenarbeit zwischen Schlossmuseum und Forschungsinstitut konnte so ein kleines Stück Thüringer Geschichte entschlüsselt werden. Aber längst sind noch nicht alle Hinweise des Kräuterbuchs entschlüsselt. So gibt es im Einband fast unsichtbare Verzierungen, deren Herkunft unklar bleibt. "Hier werden wir gemeinsam weiterarbeiten, um die Herkunft des Einbands und die Entstehung des Buches aufzuklären", beschließt Sabrina Lüderitz.